In vielen Entgeltabrechnungen werden neben dem Verdienst auch aufgeführt, welchen Urlaubsanspruch Arbeitnehmer*innen haben, wie viel Urlaub bereits genommen wurde und welche Ansprüche noch bestehen. In manchen Abrechnungen werden zusätzlich Angaben zum Urlaub aus den Vorjahren gemacht. Haben Arbeitnehmer*innen auf Basis dieser Angaben in der Abrechnung noch Anspruch auf den (nicht genommenen Rest-)Urlaub aus Vorjahren, obwohl dieser nach gesetzlichen und/oder vertraglichen Regelungen verfallen sein müsste? Wann sind eigentlich Urlaubsansprüche verfallen?
Mit dieser Frage setzte sich das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung auseinander.
Der Sachverhalt
Ein Arbeitnehmer war von 2008 bis 2013 in einem Unternehmen beschäftigt. In den Abrechnungen tauchte immer wieder die Angabe auf, welche (nicht genommenen) Urlaubstage noch aus Vorjahren bestanden. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses waren es dann noch 169,5 Urlaubstage. Hierfür verlangte der Arbeitnehmer Urlaubsabgeltung in Höhe von 20.731,15 € brutto.
Angaben in Abrechnung als rechtsgeschäftliche Vereinbarung? – Nein!
Er berief sich darauf, dass mittels der Angaben in den Entgeltabrechnungen eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung zwischen den Parteien bestanden habe, wonach er den Urlaub auch noch nach Ablauf von Verfallsfristen nach Gesetz und Vertrag nehmen könne. Dies lehnte das BAG mit Entscheidung vom 19.03.2019 (9 AZR 881/16) ab. Aus der Angabe in der Entgeltabrechnung kann nicht auf eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung geschlossen werden, vielmehr handele es sich um eine bloße Wissensangabe des Arbeitgebers.
Angaben in Abrechnung und Nichtgewährung des Urlaubs als widersprüchliches Verhalten? – Nein!
Im weiteren trug der Arbeitnehmer vor, dass der Arbeitgeber sich wegen der mehrjährigen Abrechnungspraxis nicht auf eine etwaige Unrichtigkeit der Abrechnung berufen dürfe, da es sonst widersprüchliches Verhalten sei. Auch diesem Argument folgte das Bundesarbeitsgericht nicht. Auch bei erteilter Abrechnung kann grundsätzlich ein Arbeitgeber die Richtigkeit der (eigenen) Abrechnung in Abrede stellen.
Anspruch aus betrieblicher Übung? – Nein!
Die weitere Behauptung des Arbeitnehmers, dass sich der Anspruch aus betrieblicher Übung ergebe, hatte ebenfalls keinen Erfolg beim Bundesarbeitsgericht. Der Arbeitnehmer hat nur hinsichtlich der Angabe der Urlaubstage aus Vorjahren in einer Abrechnung eine betriebliche Handhabung beschrieben und vorgetragen, nicht jedoch, dass die so in den Abrechnungen benannten Urlaubtage aus Vorjahren auch (anderen Arbeitnehmer*innen) in natura gewährt wurden.
Verfall der Urlaubsansprüche? – noch aufzuklären
Das Bundesarbeitsgericht konnte jedoch in diesem Fall keine abschließende Entscheidung treffen, da noch aufzuklären war, ob die im Streit stehenden Urlaubsansprüche verfallen waren. Hierbei wies das Bundesarbeitsgericht auf die aktuelle Rechtsprechung zu den Mitwirkungspflichten des Arbeitgebers bei Urlaubsgewährung hin und betonte, dass insoweit das Bundesurlaubsgesetz (europarechtlich) richtlinienkonform auszulegen ist. Sollte der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten (Hinweis an Arbeitnehmer*innen, dass diese ihren Urlaub innerhalb Verfallfristen nehmen müssen, andernfalls der Urlaub verfalle) verletzt haben, ist der Urlaub aus den Vorjahren nicht verfallen. Dies muss das Berufungsgericht nachprüfen.
Verjährung etwaiger nicht verfallener Urlaubsansprüche? – Nein!
Das Bundesarbeitsgericht wies weiter in seiner Entscheidung darauf hin, dass die etwaig nicht verfallenen Ansprüche auf Urlaubsgewährung auch nicht verjährt sind. Selbst wenn – in Widerspruch zu bisherigen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes – eine Verjährung von Urlaub als möglich anerkannt würde, sei vorliegend keine Verjährung eingetreten.
Durch die Angabe der Urlaubsansprüche aus den Vorjahren in den Entgeltabrechnungen liege ein verjährungsrechtliches (nicht rechtsgeschäftliches) Anerkenntnis im Sinne des § 212 I Nr. 1 BGB vor, mit der Folge, dass mit jeder (neuen) Abrechnung die Verjährungsfrist neu zu laufen begann. Mithin verjährten Urlaubsansprüche aus 2008 nicht nach drei Jahren (mit Ablauf des 31.12.2011), sondern bestanden bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses fort.
Fazit
Arbeitnehmer*innen sollten etwaige Ansprüche aus nicht gewährten Urlaubstagen (auch aus Vorjahren) von Fachleuten rechtlich prüfen lassen. Oft sind die Ansprüche nicht verfallen und bares Geld wert (im vorliegenden Fall etwa 20.731,15 € brutto).
Arbeitgeber*innen sollten in den Entgeltabrechnungen auf die jeweiligen Angaben penibel achten, um nicht später ein „böses Erwachen“ zu erleben.
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