Mit Eintritt und Feststellung einer Schwangerschaft ändert sich vieles im Leben, einige Dinge werden wichtiger, wieder andere Dinge weniger wichtig. Kommt in diesem heiklem Zeitraum noch eine Kündigungserklärung für das Arbeitsverhältnis, kann schon Mal einiges schief laufen – aber war da nicht etwas mit Kündigungsschutz für Schwangere?
Kündigungsschutz für Schwangere
Die zu beachtenden Regelungen und Fristen finden sich in verschiedenen Regelungen.
Schwangere dürfen nach § 17 MuSchG nicht gekündigt werden (Kündigungsverbot).
Voraussetzung hierfür ist neben der bestehenden Schwangerschaft, dass fristgerecht gegen eine Kündigung Klage erhoben wird zum Arbeitsgericht.
Nach § 4 Satz 1 KSchG muss eine Klage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung erhoben werden.
Doch was, wenn zu diesem Zeitpunkt die – bereits bestehende (!) – Schwangerschaft noch gar nicht bekannt ist?
Nach § 5 KSchG kann innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis (der zum Kündigungszeitpunkt bestehenden) Schwangerschaft ein Antrag zum Arbeitsgericht auf nachträgliche Zulassung der Klage gestellt werden.
Hinzu kommt noch die erforderliche unverzügliche Anzeige des Schwangerschaftseintritts nach § 17 I Satz 2 MuSchG.
Und dann auch noch die §§ 10 und 12 der Richtlinie 92/85/EWG (Mutterschutz-Richtlinie der EU), wonach die Nationalstaaten dafür zu sorgen haben, dass das Kündigungsverbot für Schwangere auch für diese effektiv durchsetzbar ist.
Uff – ganz schön viel zu beachten und zu bedenken.
Doch der EUGH hilft etwas
Mit der Entscheidung des EUGH vom 27.06.2024 (C-284/23) kann eine womöglich verspätet eingelegte Klage noch „gerettet“ werden (wobei dringend zu empfehlen ist, es hierauf nicht ankommen zu lassen).
Vor dem Hintergrund der oben skizzierten Vielzahl an zu beachtenden Fristen äußert der EUGH Zweifel an der Rechtswirksamkeit der 2-Wochenfrist des § 5 KSchG.
Der EUGH meint, dass die Frist von 2 Wochen ab Kenntniserlangung bereits sehr kurz sei angesichts der Schwangerschaftsumstände (Rn. 47).
Zudem erscheint dem Gericht das Auseinanderfallen der Klagefrist von 3 Wochen ab Zugang einer Kündigung und nur 2 Wochen ab Kenntnis der Schwangerschaft als widersprüchlich zum Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Rn. 48).
Und der Beginn der 2-Wochenfrist nach § 5 KSchG, das heißt der Zeitpunkt der „Behebung des Hindernisses“ für eine Klageerhebung, scheint nicht völlig eindeutig zu sein, was ebenfalls dazu beitragen kann, die effektive Wahrnehmung der Rechte (Verbot der Kündigung von Schwangeren) zu erschweren.
Deshalb kommt der EUGH zu der Feststellung:
„…, dass die Art. 10 und 12 der RL 92/85 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der eine schwangere Arbeitnehmerin, die von ihrer Schwangerschaft erst nach Ablauf der für die Erhebung einer Klage gegen ihre Kündigung vorgesehenen Frist Kenntnis erlangt hat, eine solche Klage nur dann erheben kann, wenn sie binnen zweier Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage stellt, sofern die Verfahrensmodalitäten im Zusammenhang mit diesem Zulassungsantrag insoweit nicht den Anforderungen des Effektivitätsgrundsatzes genügen, als sie Nachteile mit sich bringen, die geeignet sind, die Umsetzung der Rechte übermäßig zu erschweren, die Art. 10 dieser Richtlinie schwangeren Arbeitnehmerinnen vermittelt.“
Ok, dann ist das ja mal geklärt.
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