Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) verdient derjenige, der Kinder hat, „die Unterstützung des Staates“ (so das Bundesfamilienministerium auf seinem Internetauftritt). Elterngeld soll nach der Geburt eines Kindes helfen, eintretende Einkommenseinbußen besser verkraften zu können.
Elterngeld gibt es für Arbeitnehmer, Selbstständige, erwerbslose Eltern, Studierende oder Auszubildende. Die Berechnung der Höhe des Elterngelds kann im Einzelfall kompliziert sein – besonders bei selbständig tätigen Menschen.
Nach § 2 b II BEEG sind für die Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit sind die jeweiligen steuerlichen Gewinnermittlungszeiträume maßgeblich, die dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes zugrunde liegen.
Nun soll es vorkommen – gerade kurz nach Aufnahme einer Selbständigkeit – dass der Gewinn sich steigern kann, gerade auch in der Zeit zwischen dem letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum und der Geburt eines Kindes. Ist dies in der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen?
Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (2. Senat, Urteil vom 25.02.2015, L 2 EG 4/14) meint ja, wenn „eine Heranziehung des letzten steuerlichen Gewinnermittlungszeitraumes … für den Berechtigten unzumutbar schwer wiegende Nachteile in Form einer Verkürzung des Elterngeldanspruchs um jedenfalls 20 % nach sich ziehen und damit die verfassungsrechtlichen Grenzen einer sachgerechten Typisierung überschritten würden.“
In den Urteilsgründen wird ausgeführt, dass eine buchstabengetreue Auslegung der gesetzlichen Normen zu nicht hinnehmbaren Unterschieden führt. So heißt es u.a. ab Rz. 45:
„45 Tatsächlich würde jedoch eine den Wortlaut des § 2b Abs. 2 und 3 BEEG buchstabengetreu umsetzende Gesetzesanwendung in nicht wenigen Fällen eine schwer wiegende materielle Kürzung von Elterngeldansprüchen bewirken. Würde beispielsweise eine Mutter nach einem Ende des Vorjahres abgeschlossenen Studium im Januar eine selbständige Tätigkeit (mit beispielsweise einem monatlichen Einkommen von 4.000 €) aufnehmen und dann im November entbinden, wäre bei einer strikt am Wortlaut des § 2b Abs. 2 und 3 BEEG haftenden Auslegung bei der Elterngeldberechnung (trotz guter Einkünfte im Zeitraum vor der Geburt des Kindes) kein Einkommensausfall zu berücksichtigen, da sie in dem letzten abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes noch studiert und seinerzeit auch noch kein Erwerbseinkommen erzielt hätte; ihr stünde damit lediglich ein Elterngeld in Höhe des einkommensunabhängigen Mindestbetrages von 300 € nach § 3 Abs. 4 Satz 1 BEEG zu.
46 Hätte die betroffene Mutter hingegen (bei ansonsten gleicher Ausgangslage) zu Beginn des Geburtsjahres eine abhängige Beschäftigung (mit beispielsweise ebenfalls einem monatlichen Einkommen von 4.000 € aufgenommen), dann könnte sie ein Mehrfaches an Elterngeld in Anspruch nehmen (größenordnungsmäßig in Höhe von etwa 1.000 € im Monat), da dann nach der Ausgangsregelung des § 2b Abs. 1 BEEG die letzten zwölf Kalendermonate vor Beginn des Mutterschaftsurlaubs ausschlaggebend (und damit auch das in diesem Beispielsfall in den Monaten ab Januar erzielte Arbeitseinkommen zu berücksichtigen) wären.
47 Allerdings würde letztere Beispielrechnung bei einer am Wortlaut haftenden Auslegung des § 2b BEEG nur unter der Annahme geltend, dass das betroffene Elternteil in den Zeiträumen nach § 2b Absätze 1 und 2 BEEG überhaupt kein Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt hat. Hätte im letzteren Beispielsfall die Mutter im letzten Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes, während dessen sie noch studierte, auch nur für eine Stunde eine selbständige Tätigkeit ausgeübt, hätte sie etwa für eine Stunde als – im Rechtssinne selbständige – Nachhilfelehrerin gearbeitet und damit einmalig 15 € erzielt, dann wäre bei einer rein am Wortlaut orientierten Auslegung wiederum das Kalenderjahr vor der Geburt des Kindes maßgeblich, so dass in dem erläuterten Beispielsfall die ab Beginn des Geburtsjahres erzielten durchaus erheblichen Einkünfte aus abhängiger Beschäftigung nicht mehr zu berücksichtigen wären. Die betroffene Mutter hätte dann aufgrund allein des Umstandes, dass sie rund ein Jahr vor der Geburt einmal eine Einnahme aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von beispielsweise 15 € erzielt hätte, einen Reduzierung ihres Elterngeldanspruches in der Größenordnung von rund 8.400 € hinzunehmen.“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und am Bundessozialgericht ist die Revision anhängig (Az.: B 10 EG 4/15 R). Dennoch sollten Elterngeldberechtigte die Berechnung prüfen und ggf. mit Unterstützung eines Anwaltes berechtigte Ansprüche durchsetzen.